Ein zivilgesellschaftliches Bündnis fordert die Bundesregierung auf, sich ihren Vorgängern anzuschließen und der auf EU-Ebene geplanten anlasslosen Chatkontrolle ein klares Nein entgegenzusetzen. Die absehbaren Gefahren, die von dem Vorhaben ausgehen, übersteigen den ohnehin fragwürdigen Nutzen bei weitem.
Die Idee der Chatkontrolle war und ist ein Angriff auf verschlüsselte Kommunikation. Seit mehr als drei Jahren steckt das geplante Gesetz nun schon in den Mühlen der EU-Institutionen fest. Die derzeitige polnische Ratspräsidentschaft ist inzwischen die vierte, die kürzlich aufgegeben hat.
Es bleibt eine monströse Idee: Das Vorhaben der anlasslosen Chatkontrolle sieht eine Pflicht für Internet-Dienste vor, sämtliche Inhalte zu durchsuchen, auf Straftaten abzuklopfen und diese bei Verdacht an Behörden zu schicken. Dennoch droht auch nach viermaligem Scheitern weiterhin eine Umsetzung dieser so dreisten wie gefährlichen Idee.
Deutschlands Widerstand spielt eine gewichtige Rolle in der Abwehr des Chatkontrolle-Ansinnens. Die neue Bundesregierung darf nicht den Fehler machen, die bisherige Position Deutschlands zu ändern. Sie muss stattdessen dafür sorgen, dass dieses Gesetzesvorhaben endgültig verschwindet und als Idee gänzlich begraben wird. Zusammen mit 21 zivilgesellschaftlichen Organisationen wenden wir uns daher an den neuen Innenminister Alexander Dobrindt.
Wir fordern ihn auf, diese Form der anlasslosen Massenüberwachung schon wegen ihrer desaströsen Folgen für die IT-Sicherheit abzulehnen.
Seit der Vorstellung der „Chatkontrolle“-Verordnung wird diese von allen Seiten kritisiert. Nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen warnen vor den Gefahren. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags und der Juristische Dienst des Rates der EU haben massive verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.
Zwar schließt die Position des Europäischen Parlaments eine anlasslose Chatkontrolle aus, doch der Ministerrat könnte diesen Vorschlag massiv verwässern. Die deutsche Bundesregierung muss daher ihre starke Position gegen die Chatkontrolle aufrechterhalten, wenn die Verhandlungen fortgesetzt werden.
Verschlüsselung schützt alle und darf nicht untergraben werden
Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist ein unverzichtbares Fundament für die digitale Sicherheit. Sie schützt die vertrauliche Kommunikation aller Menschen, Unternehmen und Behörden und sichert die Integrität demokratischer Institutionen. Wer die Verschlüsselung absichtlich schwächt, untergräbt das Vertrauen in digitale Infrastrukturen – und öffnet Angriffsvektoren für staatliche und kriminelle Akteure.
Der Gesetzesentwurf sieht das massenhafte und wahllose Scannen aller Geräte und Nachrichten auf Darstellungen von Gewalt gegen Kinder sowie auf Kontaktaufnahmen von Kriminellen mit Kindern vor. Verdächtige Nachrichten sollen dann direkt an Kontrollinstanzen oder Polizeibehörden weitergeleitet werden. Die Scans wären auch für Anbieter Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikationsdienste wie Signal, Threema oder WhatsApp vorgeschrieben. Entsprechend müssten deren Verschlüsselungslösungen technisch unterminiert werden.
Das Vorhaben würde nicht nur das Ende vertraulicher sicherer Kommunikation bedeuten, sondern auch am Ziel vorbeigehen: Kriminelle nutzen bereits heute Verbreitungswege, die von diesen Scans nicht betroffen wären, und werden auch in Zukunft den Scans leicht entgehen können.
Kinderschutz braucht gezielte Maßnahmen statt Massenüberwachung
Nicht nur alle mit Expertise im Bereich der IT-Sicherheit warnen vor der Chatkontrolle. Auch der Deutsche Kinderschutzbund ist der Ansicht, dass dieser am Ziel vorbeigehende Vorschlag nicht zu einem effektiven Schutz von Kindern beiträgt. Anstatt auf pauschale Überwachung aller zu setzen, sollten die EU-Mitgliedstaaten wirksame und rechtsstaatliche Maßnahmen ergreifen.
Dazu gehört eine enge Zusammenarbeit mit Kinderschutzorganisationen, digitalen Menschenrechtsgruppen und IT-Sicherheitsexpertinnen, um zielgerichtete und technisch umsetzbare Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig muss die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) Priorität haben, um illegale Inhalte wirksam zu bekämpfen. Konkrete Schritte, um Kinder zu schützen, ohne die Grundrechte aller zu gefährden, sind Investitionen in nationale Kinderschutz-Hotlines, präventive Programme für potenzielle Täter, kindgerechte Strukturen und Anlaufstellen zur Meldung von Übergriffen sowie verpflichtende Überprüfungen von Personen, die mit Kindern arbeiten.
CCC fordert klare Haltung der Bundesregierung
Der CCC fordert die Bundesregierung und Bundesinnenminister Dobrindt auf, an der bisherigen ablehnenden Haltung zur Chatkontrolle festzuhalten.
„Das Vorhaben zur Chatkontrolle gleicht einem Zombie – es kehrt immer wieder zurück, obwohl es längst gescheitert sein sollte. Sollte die Bundesregierung ihre Position gegen die Chatkontrolle aufgeben, würde sie offenbaren, wie wenig ihr daran gelegen ist, Technologien zu schützen, die für die Informationssicherheit aller sorgen. Verschlüsselung ist entweder für alle sicher – oder für alle gebrochen“, erklärt Elina Eickstädt.
Der Volltext des offenen Briefes findet ihr hier beim CCC: „Appell zum Schutz von Verschlüsselung für die Gesellschaft“.
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