Das die Piraten keine Freunde dessen sind, was die derzeit regierenden Parteien SPD und CDU als erfolgreiche „Arbeits- und Sozialreformen“ feiern, was in weiten Teilen der Bevölkerung aber entweder angstvoll oder herablassend als „Hartz4“ bezeichnet wird, ist bekannt. Das wir uns für die Abschaffung der Sanktionen gegen Leistungsempfänger aussprechen und generell das Hartz4-System auf dem Müllhaufen der Geschichte sehen möchten, haben auch wir im Kreis Recklinghausen mehrfach kund getan. Deshalb wollten wir uns zunächst einmal eine Übersicht über die Lage hier bei uns im Kreis verschaffen.
Am 19.1.2015 stellte unser Kreistagsmitglied Michael Levedag als erstes eine ausführliche Anfrage zum Sachstand bezüglich der Sanktionierung von Leistungsempfängern in den Jobcentern des Kreises Recklinghausen. Die dazugehörige, ebenso ausführliche Antwort kam dann von Seiten des Landrates Ende Februar. Dazu ist zu sagen, dass wir um die Zahlen der Jahre 2011-2014 baten, statistisch zum Zeitpunkt der Anfrage aber nur Zahlen bis Oktober 2014 verfügbar waren. Eine Crux, die es sehr häufig in Zusammenhang mit öffentlichen Statistiken gibt – nur sehr selten bekommt man tagesaktuelle Zahlen. Kurz zusammengefasst, gab es seit der Gründung der Optionskommune (Kreis Recklinghausen als alleiniger Träger der Jobcenter) im Jahre 2012 folgende Anzahl von Sanktionen:
- 2012 – 4965
- 2013 – 5855
- 2014 – 5279 (bis Oktober – auf Monate hochgerechnet lag die Endsumme 2014 wohl über der von 2013)
Das ist lt. Jobcenter eine ungefähre Sanktionsquote in Bezug auf alle Vorgänge von etwas über 2%.
Wie viele Kinder konkret von diesen Sanktionen betroffen waren, lässt sich aufgrund der Art der statistischen Erhebung nicht genau feststellen, auch hat der Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit keine Auswertung, die sich auf die Anzahl von Sanktionierungen sortiert nach deren Höhe bezieht. Erstaunlicherweise werden die meisten Sanktionen offensichtlich von den Betroffenen hingenommen – die Zahl der Widersprüche liegt bei knapp 6%, die Zahl der Klagen bei 1-1,5%. Traurigerweise fällt mit diesem Blogbeitrag eine neue Welle von populistischer Stimmungsmache gegen Leistungsbezieher zusammen, denn den Anstieg der Sanktionszahlen im Bundesdurchschnitt nimmt die Boulevardpresse zum Anlass, wieder einmal gegen die Betroffenen zu hetzen.
Was heißt „Sanktionen“ eigentlich praktisch? Ganz einfach: das Jobcenter stellt einen in ihren Augen sanktionierungswürdigen Sachverhalt fest. Ein unentschuldigt verpasster Termin beim Jobcenter kann z.B. eine Kürzung der Leistungen von 10% für drei Monate bedeuten. Wurde eine Bewerbung weniger geschrieben, als in der Eingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter festgelegt, kann das eine Kürzung der Leistungen von bis zu 30% bedeuten.
Aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt, dass in Deutschland der Sozialhilfesatz das Minimum an Versorgung für jeden Bürger darstellt. Ergo stellt nach den Reformen der Schröder-Ära der Hartz4-Satz das Existenzminimum dar. Und die Sanktionierungspraxis bedeutet, dass Menschen in Deutschland von Seiten der Jobcenter unter genau dieses Existenzminimum gedrückt werden. Im Fall des Kreises Recklinghausen liegt die durchschnittliche Sanktionshöhe bei etwa 22%.
Besonders hart wirkt sich das für Familien oder Alleinerziehende aus – denn hier trifft es nicht nur eine (was schon schlimm genug ist), sondern mehrere Personen. Eine Mindereinnahme von über ein-, zweihundert Euro im Monat stellt eine Familie im Hartz4-Bezug häufig vor existenzielle Probleme. Was ist wichtiger? Essen oder Schulbedarf? Ein kaputtes Haushaltsgerät ersetzen oder neue Schuhe für die Kinder kaufen?
Die statistischen Werte sind erstaunlich konstant – etwa 30% der von Sanktionen betroffenen Haushalte sind Bedarfsgemeinschaften mit Kindern. Und auch der jährliche Sanktionsbetrag je sanktioniertem Leistungsbezieher ist in etwa gleich: ca. 1400€. Stellen wir uns einmal vor, was 1400€ für jemanden bedeuten, der ohnehin am Existenzlimit lebt. Stellen wir uns ferner vor, dass die jährliche Summe an Geldern, die wegen Sanktionen eben nicht an Leistungsbezieher ausgezahlt werden, alleine im Kreis Recklinghausen bei 1,2 bis 1,5 Millionen Euro liegen.
Natürlich behält das Jobcenter diese Summen nicht. Sie gehen zurück. Und fehlen bei jenen, die es am Nötigsten haben, alles persönliche Unglück inbegriffen. Wer es wirtschaftlich denken möchte – da Leistungsempfänger kaum Spielraum zum Sparen haben und ihre Einnahmen zumeist vollständig verkonsumieren, sind das jedes Jahr über 1,2 Millionen Euro Kaufkraft, die im Nichts verpuffen.
Unserer Meinung nach hat das mit dem Bild vom Sozialstaat nichts zu tun. Es ist eines Sozialstaates in höchstem Maße unwürdig. Wirtschaftlich ist es unlogisch und ein Schuß in den eigenen Fuß. Und menschlich spottet es jeder Beschreibung.
Das die Piraten keine Freunde dessen sind, was die derzeit regierenden Parteien SPD und CDU als erfolgreiche „Arbeits- und Sozialreformen“ feiern, was in weiten Teilen der Bevölkerung aber entweder angstvoll oder herablassend als „Hartz4“ bezeichnet wird, ist bekannt. Das wir uns für die Abschaffung der Sanktionen gegen Leistungsempfänger aussprechen und generell das Hartz4-System auf dem Müllhaufen der Geschichte sehen möchten, haben auch wir im Kreis Recklinghausen mehrfach kund getan. Deshalb wollten wir uns zunächst einmal eine Übersicht über die Lage hier bei uns im Kreis verschaffen.
Am 19.1.2015 stellte unser Kreistagsmitglied Michael Levedag als erstes eine ausführliche Anfrage zum Sachstand bezüglich der Sanktionierung von Leistungsempfängern in den Jobcentern des Kreises Recklinghausen. Die dazugehörige, ebenso ausführliche Antwort kam dann von Seiten des Landrates Ende Februar. Dazu ist zu sagen, dass wir um die Zahlen der Jahre 2011-2014 baten, statistisch zum Zeitpunkt der Anfrage aber nur Zahlen bis Oktober 2014 verfügbar waren. Eine Crux, die es sehr häufig in Zusammenhang mit öffentlichen Statistiken gibt – nur sehr selten bekommt man tagesaktuelle Zahlen. Kurz zusammengefasst, gab es seit der Gründung der Optionskommune (Kreis Recklinghausen als alleiniger Träger der Jobcenter) im Jahre 2012 folgende Anzahl von Sanktionen:
Das ist lt. Jobcenter eine ungefähre Sanktionsquote in Bezug auf alle Vorgänge von etwas über 2%.
Wie viele Kinder konkret von diesen Sanktionen betroffen waren, lässt sich aufgrund der Art der statistischen Erhebung nicht genau feststellen, auch hat der Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit keine Auswertung, die sich auf die Anzahl von Sanktionierungen sortiert nach deren Höhe bezieht. Erstaunlicherweise werden die meisten Sanktionen offensichtlich von den Betroffenen hingenommen – die Zahl der Widersprüche liegt bei knapp 6%, die Zahl der Klagen bei 1-1,5%. Traurigerweise fällt mit diesem Blogbeitrag eine neue Welle von populistischer Stimmungsmache gegen Leistungsbezieher zusammen, denn den Anstieg der Sanktionszahlen im Bundesdurchschnitt nimmt die Boulevardpresse zum Anlass, wieder einmal gegen die Betroffenen zu hetzen.
Was heißt „Sanktionen“ eigentlich praktisch? Ganz einfach: das Jobcenter stellt einen in ihren Augen sanktionierungswürdigen Sachverhalt fest. Ein unentschuldigt verpasster Termin beim Jobcenter kann z.B. eine Kürzung der Leistungen von 10% für drei Monate bedeuten. Wurde eine Bewerbung weniger geschrieben, als in der Eingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter festgelegt, kann das eine Kürzung der Leistungen von bis zu 30% bedeuten.
Aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt, dass in Deutschland der Sozialhilfesatz das Minimum an Versorgung für jeden Bürger darstellt. Ergo stellt nach den Reformen der Schröder-Ära der Hartz4-Satz das Existenzminimum dar. Und die Sanktionierungspraxis bedeutet, dass Menschen in Deutschland von Seiten der Jobcenter unter genau dieses Existenzminimum gedrückt werden. Im Fall des Kreises Recklinghausen liegt die durchschnittliche Sanktionshöhe bei etwa 22%.
Besonders hart wirkt sich das für Familien oder Alleinerziehende aus – denn hier trifft es nicht nur eine (was schon schlimm genug ist), sondern mehrere Personen. Eine Mindereinnahme von über ein-, zweihundert Euro im Monat stellt eine Familie im Hartz4-Bezug häufig vor existenzielle Probleme. Was ist wichtiger? Essen oder Schulbedarf? Ein kaputtes Haushaltsgerät ersetzen oder neue Schuhe für die Kinder kaufen?
Die statistischen Werte sind erstaunlich konstant – etwa 30% der von Sanktionen betroffenen Haushalte sind Bedarfsgemeinschaften mit Kindern. Und auch der jährliche Sanktionsbetrag je sanktioniertem Leistungsbezieher ist in etwa gleich: ca. 1400€. Stellen wir uns einmal vor, was 1400€ für jemanden bedeuten, der ohnehin am Existenzlimit lebt. Stellen wir uns ferner vor, dass die jährliche Summe an Geldern, die wegen Sanktionen eben nicht an Leistungsbezieher ausgezahlt werden, alleine im Kreis Recklinghausen bei 1,2 bis 1,5 Millionen Euro liegen.
Natürlich behält das Jobcenter diese Summen nicht. Sie gehen zurück. Und fehlen bei jenen, die es am Nötigsten haben, alles persönliche Unglück inbegriffen. Wer es wirtschaftlich denken möchte – da Leistungsempfänger kaum Spielraum zum Sparen haben und ihre Einnahmen zumeist vollständig verkonsumieren, sind das jedes Jahr über 1,2 Millionen Euro Kaufkraft, die im Nichts verpuffen.
Unserer Meinung nach hat das mit dem Bild vom Sozialstaat nichts zu tun. Es ist eines Sozialstaates in höchstem Maße unwürdig. Wirtschaftlich ist es unlogisch und ein Schuß in den eigenen Fuß. Und menschlich spottet es jeder Beschreibung.