Text/Meinung: Florian D.
Tag 1 (Samstag)
Der Parteitag in Neu-Münster startet pünktlich und beginnt wie jede offizielle Zusammenkunft der Piraten mit der Abstimmung über die Tagesordnung (sog. Formalfoo). Gefolgt davon werden weitere Formalien abgehandelt, u.a. die Äußerung von Einsprüchen gegen die Tages- oder Geschäftsordnung (GO). In der Regel sind dies pro Forma Abstimmungen, da max. vereinzelte Gegenstimmen kommen. Das heißt jedoch nicht das solche Enscheidungen überflüssig sind. Letztendlich ist es eine Versicherung, quasi die Ultima Ratio, falls einmal jemand ein “Parteitagsamt” anstrebt, der innerhalb der Partei als umstritten gilt. Gerade in der momentanen Lage, in der die Medien und vereinzelte Parteien die Piraten zu einer Sammelstelle von Rechte degradieren, erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieser Möglichkeit vielleicht.
Das erste Mal kommt Leben auf, als der Vorstand finanziell entlastet werden soll. Die Versammlung stimmt bis auf wenige Stimmen gegen eine finanzielle Entlastung des Vorstandes, da die Kassenprüfer Ihre Arbeit noch nicht beendet haben und dadurch keine auf Wissen basierte Abstimmung möglich ist.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Der Versammlungsleiter Stephan Urbach lässt seine Umgangformen ein wenig schleifen und wird, aus meiner Sicht zu recht, von einigen Mitgliedern der Versammlung aufgefordert im Dialog mit Rednern am Saalmikrofon mehr Höflichkeit walten zu lassen. Darauf entgegnet der Versammlungsleiter, dass er den Rednern im Allgemeinen mehr Höfllichkeit entgegen bringen würde, falls er im Bühnenbereich ebenfalls netter behandelt würde. ??? Was ist das für eine Argumentation? Behandelt mich ein Rentner schlecht, behandele ich alle über 60 respektlos? Auf dieses Wortgefecht folgte nach einer Unterbrechung eine Abstimmung, bei der mit Ausnahme von wenigen Gegenstimmen, Stephan Urbach als Versammlungsleiter erneut bestätigt wurde.
Die nächste Aufregung verursacht der Fernsehsender Sat1, der ein Playmobil-Piratenschiff mit eindeutig rechten Parolen zum Parteitag mitgebracht hatte. Das Sat1 Kamerateam benutzte dieses “Skandal-Schiff” um die “rechten Strömungen” in der Piratenpartei zu symbolisieren. Dies machte wie ein Lauffeuer die Runde, was u.a. zur Folge hatte das der Parteitag für zwanzig Minuten unterbrochen wurde. Nach Wiederbeginn wurde das Verhalten des Fernsehteams offiziell verurteilt, was in langanhaltenden Standing ovations der Versammlung mündete.
Edit: Der Verantwortlicher Redakteur hat sich bereits entschuldigt. Es war nicht beabsichtigt, den Eindruck zu erwecken, das rechte Gesinnungen bei den Piraten vorherrschen. Das Piratenschiff sollte den “Ball” repräsentieren, der den Interviewpartnern “zugeworfen” werden sollte.
Die erste Vorstellungsrunde hat es bereits in sich. Als der wegen seiner relativierenden Äußerungen zum Holocaust höchst umstrittene Kandidat Dietmar Moews für den Bundesvorsitz vorspricht, verlässt der Großteil der Versammlung demonstrativ geschlossen die Halle. Auch in der anschließenden Befragungsrunde wird deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Versammlung ihm keine Bühne bieten möchte sich zu produzieren und lehnt eine weitere Befragung Moews ab.
N-TV, Phönix und andere Sender sorgen für den nächten Eklat. Trotz mehrmaliger Aufforderung der Versammlungsleitung alle Kameras für den ersten Wahlgang auszuschalten, filmen mehrere Kamerateams weiter. Nach viermaligem Ignorieren der Aufforderung seitens mehrerer Kamerateams fasse ich mir ein Herz und nehme es selbst in die Hand. Auf meine Frage warum trotz mehrfacher Aufforderung alle Filmarbeiten einzustellen, dem nicht nachgekommen wird erhalte ich die Antwort, das sie auf Live Sendung seien. Als ich entgegne, dass im Vorfeld darauf hingewiesen wurde, das sich auch die Pressevertreter an gewisse Regeln halten müssen, merkt mein Gegenüber, dass kein Argumentationsspielraum besteht. Er fragt mich ob die Wahl nicht um 5 min verschoben werden könne. Was soll ich anderes darauf antworten als, “da musst du nicht mit mir sprechen, sondern mit dem Versammlungsleiter da vorne”? Er spurtet in Richtung Bühne davon.
Beim nächsten Kamerateam, das ich anspreche, fragt mich der Autor doch glatt warum ich ausgerechnet sie als erstes ansprechen würde. Ich entgegne nur: “ich war erst da drüben (N-TV, RTL, N24), jetzt komme ich zu euch und gleich gehe ich da (Phönix) rüber, um ihnen das Gleiche zu sagen. Ich lasse sie stehen und gehe zu Phönix. Auch hier bekomme ich die Aussage zu hören, dass sie eine Live-Sendung hätten. Phönix muss ein Notfallprogramm senden. Die Stimmabgabe hat bereits seit einigen Minuten begonnen, da schalten endlich die letzten Ihre Kameras aus. Phönix reagiert und stellt Sichtschutzwände auf.
Welche Arroganz durch dieses Verhalten zu Tage tritt, scheint einigen Medienvertretern völlig egal zu sein. Es kommt ein wenig der Eindruck auf, als seien wir Piraten zur Zeit die LEGO-Spielkiste der Presse, a la “ich mache mir die Welt, widde, widde, wie sie mir gefällt”.
Alle beruhigen sich (auch ich). Ein GO-Antrag führt dazu, das alle Filmteams während der Wahlen Aufnahmen machen dürfen, so lange sie nicht das Ausfüllen selbst filmen.
22.44:39 h wir haben den ersten Tag hinter uns
Tag 2 (Sonntag)
Die Kandidaten für den politischen Geschäftsführer stellen sich vor.
Einer der Verantwortlichen für den Live-Stream bittet aufgrund des hohen Traffics des Streams um eine Spende von einem Euro pro Teilnehmer. Er ist zwiegespalten. Einerseits freut er sich darüber, dass bis Sonntag 10h, 56 Terrabyte übertragen wurden, andererseits kostet es einfach Geld.
Text/Meinung: Florian D.
Tag 1 (Samstag)
Der Parteitag in Neu-Münster startet pünktlich und beginnt wie jede offizielle Zusammenkunft der Piraten mit der Abstimmung über die Tagesordnung (sog. Formalfoo). Gefolgt davon werden weitere Formalien abgehandelt, u.a. die Äußerung von Einsprüchen gegen die Tages- oder Geschäftsordnung (GO). In der Regel sind dies pro Forma Abstimmungen, da max. vereinzelte Gegenstimmen kommen. Das heißt jedoch nicht das solche Enscheidungen überflüssig sind. Letztendlich ist es eine Versicherung, quasi die Ultima Ratio, falls einmal jemand ein “Parteitagsamt” anstrebt, der innerhalb der Partei als umstritten gilt. Gerade in der momentanen Lage, in der die Medien und vereinzelte Parteien die Piraten zu einer Sammelstelle von Rechte degradieren, erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieser Möglichkeit vielleicht.
Das erste Mal kommt Leben auf, als der Vorstand finanziell entlastet werden soll. Die Versammlung stimmt bis auf wenige Stimmen gegen eine finanzielle Entlastung des Vorstandes, da die Kassenprüfer Ihre Arbeit noch nicht beendet haben und dadurch keine auf Wissen basierte Abstimmung möglich ist.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Der Versammlungsleiter Stephan Urbach lässt seine Umgangformen ein wenig schleifen und wird, aus meiner Sicht zu recht, von einigen Mitgliedern der Versammlung aufgefordert im Dialog mit Rednern am Saalmikrofon mehr Höflichkeit walten zu lassen. Darauf entgegnet der Versammlungsleiter, dass er den Rednern im Allgemeinen mehr Höfllichkeit entgegen bringen würde, falls er im Bühnenbereich ebenfalls netter behandelt würde. ??? Was ist das für eine Argumentation? Behandelt mich ein Rentner schlecht, behandele ich alle über 60 respektlos? Auf dieses Wortgefecht folgte nach einer Unterbrechung eine Abstimmung, bei der mit Ausnahme von wenigen Gegenstimmen, Stephan Urbach als Versammlungsleiter erneut bestätigt wurde.
Die nächste Aufregung verursacht der Fernsehsender Sat1, der ein Playmobil-Piratenschiff mit eindeutig rechten Parolen zum Parteitag mitgebracht hatte. Das Sat1 Kamerateam benutzte dieses “Skandal-Schiff” um die “rechten Strömungen” in der Piratenpartei zu symbolisieren. Dies machte wie ein Lauffeuer die Runde, was u.a. zur Folge hatte das der Parteitag für zwanzig Minuten unterbrochen wurde. Nach Wiederbeginn wurde das Verhalten des Fernsehteams offiziell verurteilt, was in langanhaltenden Standing ovations der Versammlung mündete.
Edit: Der Verantwortlicher Redakteur hat sich bereits entschuldigt. Es war nicht beabsichtigt, den Eindruck zu erwecken, das rechte Gesinnungen bei den Piraten vorherrschen. Das Piratenschiff sollte den “Ball” repräsentieren, der den Interviewpartnern “zugeworfen” werden sollte.
Die erste Vorstellungsrunde hat es bereits in sich. Als der wegen seiner relativierenden Äußerungen zum Holocaust höchst umstrittene Kandidat Dietmar Moews für den Bundesvorsitz vorspricht, verlässt der Großteil der Versammlung demonstrativ geschlossen die Halle. Auch in der anschließenden Befragungsrunde wird deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Versammlung ihm keine Bühne bieten möchte sich zu produzieren und lehnt eine weitere Befragung Moews ab.
N-TV, Phönix und andere Sender sorgen für den nächten Eklat. Trotz mehrmaliger Aufforderung der Versammlungsleitung alle Kameras für den ersten Wahlgang auszuschalten, filmen mehrere Kamerateams weiter. Nach viermaligem Ignorieren der Aufforderung seitens mehrerer Kamerateams fasse ich mir ein Herz und nehme es selbst in die Hand. Auf meine Frage warum trotz mehrfacher Aufforderung alle Filmarbeiten einzustellen, dem nicht nachgekommen wird erhalte ich die Antwort, das sie auf Live Sendung seien. Als ich entgegne, dass im Vorfeld darauf hingewiesen wurde, das sich auch die Pressevertreter an gewisse Regeln halten müssen, merkt mein Gegenüber, dass kein Argumentationsspielraum besteht. Er fragt mich ob die Wahl nicht um 5 min verschoben werden könne. Was soll ich anderes darauf antworten als, “da musst du nicht mit mir sprechen, sondern mit dem Versammlungsleiter da vorne”? Er spurtet in Richtung Bühne davon.
Beim nächsten Kamerateam, das ich anspreche, fragt mich der Autor doch glatt warum ich ausgerechnet sie als erstes ansprechen würde. Ich entgegne nur: “ich war erst da drüben (N-TV, RTL, N24), jetzt komme ich zu euch und gleich gehe ich da (Phönix) rüber, um ihnen das Gleiche zu sagen. Ich lasse sie stehen und gehe zu Phönix. Auch hier bekomme ich die Aussage zu hören, dass sie eine Live-Sendung hätten. Phönix muss ein Notfallprogramm senden. Die Stimmabgabe hat bereits seit einigen Minuten begonnen, da schalten endlich die letzten Ihre Kameras aus. Phönix reagiert und stellt Sichtschutzwände auf.
Welche Arroganz durch dieses Verhalten zu Tage tritt, scheint einigen Medienvertretern völlig egal zu sein. Es kommt ein wenig der Eindruck auf, als seien wir Piraten zur Zeit die LEGO-Spielkiste der Presse, a la “ich mache mir die Welt, widde, widde, wie sie mir gefällt”.
Alle beruhigen sich (auch ich). Ein GO-Antrag führt dazu, das alle Filmteams während der Wahlen Aufnahmen machen dürfen, so lange sie nicht das Ausfüllen selbst filmen.
22.44:39 h wir haben den ersten Tag hinter uns
Tag 2 (Sonntag)
Die Kandidaten für den politischen Geschäftsführer stellen sich vor.
Einer der Verantwortlichen für den Live-Stream bittet aufgrund des hohen Traffics des Streams um eine Spende von einem Euro pro Teilnehmer. Er ist zwiegespalten. Einerseits freut er sich darüber, dass bis Sonntag 10h, 56 Terrabyte übertragen wurden, andererseits kostet es einfach Geld.