Allgemein Kommunalpolitik Lippe

Kunstaktion zum Europatag am Gymnasium Barntrup

Alle Parteien, eine Vision:
Die EU soll gemeinsam agieren und offen auf Asylsuchende zugehen

Ein Bericht von Andreas Schwietring, Piratenpartei NRW/Lippe

Am 11.05.2016 lud das Städtische Gymnasium Barntrup¹ Vertreter lokaler, im Kreistag befindlicher Parteien zum jährlich stattfindenden Europatag² ein. Als einzige ausgewiesene Europaschule³ in Lippe wurde dazu eine durch den Kunstunterricht initiierte Mitmach-Aktion organisiert, bei der das Thema Asyl und Europa sinnbildlich durch die Teilnehmer’innen aufbereitet werden sollte.

Kunstaktion Ausgangsituation
[Ausgangssituation Flaggen mit Schuhen]
Insgesamt sieben Vertreter von CDU (2), GRÜNE (1), LINKE (1), PIRATEN (1) und SPD (2) folgten der Einladung, um sich zu beteiligen und an einer anschließenden Podiumsdiskussion vor ca. 200 Schülern teilzunehmen.
Für die Piratenpartei Lippe nahm ich (Verfasser des Beitrags) hierzu gerne die Möglichkeit wahr, aktiv an dieser politisch motivierten Kunstaktion teilnehmen zu können. Als Ausgangsmaterial standen 47 auf DIN-A3 ausgedruckten Länderflaggen mit jeweils einem weißen Paar Schuhe bereit. Dieses symbolisierte sowohl die einzelnen Länder der EU, als auch die relevanten Nachbarstaaten aus/über denen die Asylsuchenden nach Europa kommen. Als visueller Kontrast zu den weißen Schuhen, repräsentierte ein einzelnes, dunkelfarbiges Paar Schuhe die Gruppe der Asylanten.
Die Aufgabenstellung sowohl für die Schüler als auch für die Gruppe der eingeladenen Politiker lautete dann, aus diesem Material zwei Arrangements anzuordnen um folgende Situation zu visualisieren. Einerseits galt es zunächst den aktuellen Zustand/Umgang der EU mit den Schutzsuchenden in Verbindungen mit den Nachbarstaaten darzustellen. Mit dem zweiten Arrangement sollte dann sinnbildlich die Vision aufgebaut werden, wie man sich den Umgang der EU / der Länder mit Hilfesuchenden in Zukunft wünschen würde. Während die Schülergruppen im Vorfeld des Termins ihre jeweiligen Visualisierungen erstellt hatten, war es nun an der “Kunstgruppe” der lokalen Politikern’innen innerhalb einer Stunde beide “Symbolbilder” umzusetzen.

Die EU und die Asylanten – aktuell ein Offenbarungseid für Europa.

Alle Parteivertreter’innen agierten im Rahmen der Kunstaktion offen und ohne “Berührungsängste”. Die Gestaltung wurde sachorientiert, basisdemokratisch sowie mit guter Stimmung angegangen und umgesetzt. Schnell war man sich hinsichtlich der Aussagen zu den beiden zu arrangierenden Bildern auch im Kern einig:

  • Aktuell: Es herrscht das blanke Chaos in Europa,
    mit der Gefahr der Ausgrenzung und Zersetzung.
  • Zukunft: Europa soll als stabiler Länderbund agieren
    und gemeinsam verlässlichen Schutz für Hilfesuchende bieten.

[Die sieben Vertreter der lokalen Parteien Quelle: http://www.lz.de/lippe/barntrup/20791112_Europatag-am-Gymnasium-regt-zu-Diskussionen-an.html © Yvonne Glandien]
[Die sieben Vertreter der lokalen Parteien
Quelle: http://www.lz.de/lippe/barntrup/20791112_Europatag-am-Gymnasium-regt-zu-Diskussionen-an.html © Yvonne Glandien]
Die “Kunstgruppe” aus lokalen Polikern’innen formulierten dazu klar, dass die EU sowohl schützend als auch offen auf  die Asylanten zugehen sollte. Die gemeinsame arrangierte Zukunftsvision spiegelte dementsprechend auch ein harmonischeres Bild der EU wider. Bewusst wurde das braune Paar Schuhe, also die Asylanten in die Mitte des aus den Länderflaggen zusammengelegten Kreises positioniert, welcher den gewollten Zusammenhalt und den Schutz symbolisieren sollte. Zudem wurde je ein Schuh der weißen Paare aus jedem Land in die Mitte in Richtung der Asylanten gestellt um auszudrücken, dass man gemeinsam und mit abgestimmten Schritten auf die Asylanten zugehen möchte.

Klares Statement aller Beteiligten: Refugees welcome.

Zukunftsvision
[Zukunftsvision für EU im Umgang mit Asylsuchenden]

Anschließende Podiumsdiskussion vor ca. 200 interessierten Schülern.

Über die Kunstaktion hinaus organisierte man im Anschluss zudem eine Podiumsdiskussion mit den Parteivertretern’innen in der Aula des Gymnasiums. Zwei stellvertretende Schüler moderierten dazu sechs vorbereitete Fragen an die beteiligten Lokalpolitiker. Je nach Wunsch konnten die einzelnen Politikern’innen auf die Fragen eingehen oder diskutieren.

Aufgrund der Komplexität des Themas und den darin mitschwingenden Problemen war es natürlich schwer, Bundes- und Europapolitik auf der Ebene der Lokalpolitik zu erläutern. Anfänglich betonten alle politischen Vertreter’innen noch mal die gute Zusammenarbeit und die Einigkeit in der Aussage der Bilder. Seitens der CDU betonte man die christliche Hilfe, wozu ich ergänzte, dass es schon gut wäre, wenn man denn zu mindestens die 30 ratifizierten Menschenrechte und die Genfer-Flüchtlingskonventionen einhalten würde.

[Sitzplätze der Politiker'innen von CDU und Piraten, Podiumsdiskussion in Aula]
[Sitzplätze der Politiker’innen von CDU und PIRATEN, Podiumsdiskussion in Aula]
Aus Sicht der Piraten stellte ich zudem die Problematik der Asylursachen dar. Z.B. die Schizophrenie in Bezug auf Waffenlieferung und Rüstungsindustrie – explizit auch die Rolle Deutschlands dazu. Zudem die vollkommen fehlgeleitete Wirtschaftspolitik der Ausbeutung und Ressourcenverschwendung, die zukünftig noch weitere Fluchtursachen forcieren wird. Implizit deutete ich dazu auch die falsche Sozialpolitik an. Die steigenden Existenzängste sind mit eine Ursache für die Problematik der Ausländerfeindlichkeit.

Die jetzigen, allerorten auftretenden Probleme stellen im Grunde den Offenbarungseid konservativer und reaktionärer Politik dar. Mit Blick auf diese Entwicklungen äußerte die Vertreterin der LINKEN ebenfalls ihre Bedenken und Sorge in Bezug auf eine weiter drohende soziale Schieflage.  Ich erläuterte weiter, dass sich die aufbauenden Belastungen, auch zunehmend auf die folgenden Generationen auswirken werden, weil die jetzigen Problemursachen seitens der Regierung aus CDU / SPD nicht angegangen werden, vielmehr werden sie ausgesessen und durch reine Symptombekämpfung kaschiert.

Ich versuchte die Schüler zu ermuntern, sich über diese Zusammenhänge zu informieren, um “Sonntagsreden” zu entlarven und wirkliche Programme und Inhalte zu erkennen. Die Kunstaktion und die aktive Integration realer politischer Themen in den Unterricht nannte ich hierbei ein gutes Beispiel für gesellschaftliches und politisches Engagement an Schulen.

Was kann lokale Politik leisten?

Allgemein ist die Lokalpolitik aufgrund evident knapper Kassen zum reinen Reagieren gezwungen, um z.B. überhaupt die Unterbringung der ankommenden Hilfesuchenden zu gewährleisten. Zum Stichpunkt der Integration wurde seitens SPD angeführt, dass die Vereine hierbei eine wichtige Rolle bei der Integration spielen könnten. Es wurde daher in Richtung der anwesenden Schüler appelliert, sich als junger Mensch wieder im Rahmen der Vereinsarbeit zu engagieren. An der Stelle brachte ich den Gedanken einer dezentraleren Unterbringungen ein, was ebenfalls zu Integration beitragen kann, auf jeden Fall aber einer Ghettoisierung entgegen wirkt. Jeder der einmal durch lippische Dörfer fährt weiß, dass es unzählige Lehrstände gibt, die hier evtl. genutzt werden könnten.

[Sitzplätze der Politiker'innen von LINKE, GRÜNE und SPD, Podiumsdiskussion in Aula]
[Sitzplätze der Politiker’innen von LINKE, GRÜNE und SPD, Podiumsdiskussion in Aula]
Sachkundig wurde seitens der Vertreterin der GRÜNEN die Problematik der aktuellen Gesetzgebung in Bezug auf Asylverfahren erörtert und das es ein Desaster sei, dass man sich seit Jahren in der Koalition nicht über ein Einwanderungsgesetz⁴ einig würde, dass Ein- und Zuwanderung endlich zeitgemäß regelt und fördert.
Hintergrund war eine Frage zur Dauer der Bearbeitung von Asylanträgen, die authentisch von einem Asylsuchenden aus Ägypten vorgebracht wurde, der sich bereits seit über zwei Jahren in Deutschland befindet, eine Ausbildung gemacht hat und sich entsprechend integriert fühlt. Nun wurde sein Asylantrag abgelehnt. Der als Gast eingeladene Asylant erklärte, dass er in Ägypten definitiv nicht überleben würde. Allen anwesenden Lokalpolitikern merkte man ihre Betroffenheit an und spürte deren Hilflosigkeit. Man bedauerte die unsägliche Bearbeitungsdauer bei den Asylanträgen und wünschte sich eine schnellere Klärungen, was aber Aufgabe der Bundespolitik sei. Eine mehr als klägliche klingende Empfehlung war, sich anwaltliche Hilfe zu suchen…

Twitter-User werden sich an den Hashtag #Merkelstreichelt erinnern und den dazu ähnlich gelagerten Fall eines jungen Mädchens, welches nach mehren Jahren wieder abgeschoben werden sollte. Auch an diesem Beispiel wurden die erbärmlichen Fehlleistung und Versäumnisse der aktuellen Regierung aus CDU / SPD deutlich. Die von mir dargestellten “Sonntagsreden mit vorgeschobenen christlichen Werten” spiegelten sich hier deutlich wieder.

Ein weiterer als Gast anwesender Asylant, der in seinem Heimatland ausgebildeter Kfz-Mechaniker war, stellte die Frage, warum seine Ausbildung nicht anerkannt würde? Hier hob man allgemein die spezifischen Standards und das andere Ausbildungssystem in Deutschland hervor. Je nach Bereich wäre daher eine erneute Ausbildung nötig. Zu dieser Frage habe ich mich selber nicht direkt geäußert, habe mich aber gefragt ob diese Argumentation wirklich passend ist. Denn man muss sich dann auch fragen lassen, wie es im gleichen Deutschland sein kann, dass ein Abiturabschluss in NRW in Bayern als nicht gleichwertig anerkannt wird?! Sind das die Standards, die hier erwähnt wurden?

Fazit: Mehr von solchen Aktionen 

Mein Dank geht hier explizit an die initiierenden Lehrer’innen des Gymnasiums Barntrup.
Ohne das Engagement seitens der Lehrkräfte wären solche Aktionen sonst nicht machbar.

Grundsätzlich kann man solche Aktion wie die des Gymnasiums nur begrüßen. Ich hatte durchaus das Gefühl, dass die Schüler sehr interessiert an der Sache waren und genau hingehört haben, was seitens der politischen Vertreter’innen zu den Fragen geäußert wurde. Politik und damit die gesellschaftlichen Herausforderungen müssen aus meiner Sicht viel greifbarer zu den Schülern gebracht werden. Solche Aktionen sind dazu ein gutes Mittel.

Das Thema Asylpolitik ist sicherlich ein gesamtgesellschaftlich relevantes Thema, dass von der Ursache und Verantwortlichkeit aber eher in der Bundespolitik beheimatet ist. Nichts desto trotz  wäre es sehr schön, wenn alle weiterführenden Schulen spätestens ab der 9. Klasse einen ähnlich aktiv gestalteten Politikunterricht initiieren würden – gerne mit Themen, die einen höheren lokalen Bezug haben: Infrastruktur, Landflucht, ÖPNV, uvm.

Wir als Piraten brauchen uns mit unserem mehr als nur einem Thema umfassenden Wahl- und Grundsatzprogrammen⁵ definitiv nicht verstecken. Gerade zum Thema Asyl greift unsere grundsätzliche Konzeption der gesellschaftlichen Teilhabe⁶ und direkten Demokratie – egal ob als Asylant oder Staatsbürger. Viele Beispiele auf Landes- und Bundesebene zeigen, dass Piraten neue Ideen und auch klare Lösungen bewirken, die seitens der etablierten Parteien so nicht entwickelt worden wären. Ganz aktuell ist hier die errungene Abschaffung der Störerhaltung⁷ zu nennen. Leider wird die dazu geleistete Arbeit der Piraten hier in den Medien kaum erwähnt. Vielmehr versuchen andere Parteien sich jetzt mit fremden Federn zu schmücken.


Linksammlung

  1. http://www.gymnasium-barntrup.de
  2. http://www.lz.de/lippe/barntrup/20791112_Europatag-am-Gymnasium-regt-zu-Diskussionen-an.html
  3. http://www.gymnasium-barntrup.de/index.php?option=com_content&view=article&id=257:europaschule&catid=107&Itemid=138
    http://www.europaschulen.nrw.de
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Zuwanderungsgesetz
  5. https://www.piratenpartei.de/politik/wahl-und-grundsatzprogramme/
  6. https://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/
    https://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/arbeit-und-soziales/
    https://www.piratenpartei.de/politik/gesellschaftliche-teilhabe/migration-und-integration/
  7. https://www.piratenpartei.de/2016/03/11/einstellung-der-stoererhaftung-pirat-tobias-mcfaddens-kampf-bis-vor-den-europaeischen-gerichtshof/