Kommunales

Hintergrund: Sachentscheidung zum Konverterantrag

Vor etwa 20 Jahren hatte ich mal ein Vorstellungsgespräch bei der Polizei. Alles war soweit prima bis der gute Mann mir sagte, dass ich als Polizist bei Demos auch mal gegen meine Überzeugung handeln müsse. Ich habe das dann mal gelassen…

2011 bin ich der Piratenpartei beigetreten. Bei denen kennt man das nämlich im allgemeinen nicht. Ein Fraktionszwang – oder wie es manche nennen, Fraktionsdisziplin – wird bei den Piraten nämlich vollumfänglich abgelehnt. Und das ist auch gut so. Und so steht es im Grundgesetz und auch in der Gemeindeordnung NRW.

Jetzt, in 2014 ist es also soweit. Ich sitze für die Piraten als Einzelmitglied im Stadtrat. Die CDU hat alle Wahlbezirke für sich entschieden, aber aufgrund des Kommunalwahlrechts insgesamt nur 22 von 50 Sitzen. Grüne, SPD, Zentrum, UWG und FDP haben ein grundsätzliches 5er-Bündnis mit einem durchaus hervorragenden Grundsatzprogramm geschmiedet. Die CDU ist also erst einmal Opposition.

Das 5er-Bündnis hatte angekündigt, Sachpolitik machen zu wollen und das es auf wechselnde Mehrheiten setzt. Auch das löste in mir aus Piratensicht Begeisterungsstürme aus.

Bei den bisherigen Abstimmungen, es wurden lediglich Posten besetzt, stimmte ich mit diesem 5-er-Bündnis (lediglich bei der Besetzung des Stellvertretenden Bürgermeisterpostens enthielt ich mich der Stimme, weil ich die Kandidatinnen nicht kannte und sie mir niemand vorab vorstellte).

Und bei einem Antrag der CDU, die Sachdiskussion über die Aufteilung der Ausschüsse wieder aufzunehmen (die CDU wollte noch einmal darüber diskutieren, ob der Ausschuss für Bauen und Umwelt in zwei Ausschüsse getrennt werden solle), stimmte ich auch für die CDU.

Jetzt kam der heisse Donnerstag. Deutschland spielte und die Ratsmitglieder waren dementsprechend schon leicht genervt 😉 …

Aufgrund der Initiative des Fünfer-Bündnisses und des Bürgermeisters sowie des Nicht-Einspruchdes der CDU, darf ich nun mit beratender Stimme an vier Ausschüssen teilnehmen. Rein rechtlich steht mir nur ein Ausschuss als Einzelratsmitglied zu. Ich bedanke mich hierfür noch einmal recht herzlich bei allen Beteiligten, was ich auch im Rat getan habe, weil ich davon ausging, dass diese Entscheidung der Beteiligten an deren Demokratieverständnis lag. Von dieser Annahme ging ich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls aus…

Nun stand auf der Tagesordnung der erste inhaltliche Antrag. In Osterrath haben sich die Bürger gegen den Stromkonverter zunächst einmal erfolgreich gewehrt. Die Standortsuche wurde nun auf den gesamten Rhein-Kreis Neuss ausgeweitet und Kaarst steht nun mit zwei möglichen Standorten in der Diskussion. Sowohl die CDU als auch das Fünfer-Bündnis stellten inhaltlich zustimmungsfähige Anträge, konnten sich aus parteipolitischen Gründen nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen. Der Antrag der CDU wurde aus geschäftsordnungstechnischen Gründen zuerst abgestimmt. Da der Antrag aus Sicht der Piraten inhaltlich gut war, habe ich entsprechend auch für den Antrag gestimmt.

Da zwei Ratsmitglieder der SPD krankheitsbedingt fehlten, kam dieser Antrag zusammen mit den Stimmen der AFD, des Bürgermeisters und meiner Stimme auf eine denkbar knappe Mehrheit (25:24 oder 25:23) und wurde somit angenommen.

Was diese Abstimmung anschließend auslöste, ist aus meiner Sicht recht pikant.

1. Die SPD-Fraktionsvorsitzende, die ich übrigens sehr schätze, gratulierte mir zur ersten Niederlage des Fünfer-Bündnisses im Rat gegen die CDU.

2. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, den ich ebenfalls sehr schätze, meinte von mir, ich hätte mich der Stimme doch besser enthalten können, waren ja beide Anträge gut und die Frage, wer die tatsächliche politische Meinungshoheit in Kaarst habe, sei jetzt zu Gunsten der CDU entschieden. Man müsse beim Abstimmverhalten taktische Entscheidungen treffen, vor allem gegenüber Parteien, die einem wohlgesonnen seien. Man habe ja schließlich dadurch als beratendes Mitglied in 3 weitere Ausschüsse gekonnt. Wäre es nach der CDU gegangen, dann hätten wir nur einen Ausschuss bekommen. Entsprechend solle man überlegen, welche Partei man im Rat unterstützen werde.

3. das Organ der Zentrumspartei meint folgendes:

„Aber auch das Abstimmverhalten von Piraten und AfD sorgte für Verdruß. Nachdem das Fünfer-Bündnis den Einzelratsmitgliedern die Vertretung in drei Ausschüssen ermöglicht hatte – nach der Gemeindeordnung bestünde nur Anspruch auf einen einzelnen Ausschuss – , war die Erwartung gegeben, dass Piraten, Linke und AfD im Gegenzug mit dem Fünfer-Bündnis stimmen. Doch nur die Linke zeigte, dass sie in einem kollegialen Miteinander einen Wert ansich erblickt; Piraten und AfD verhalfen stattdessen der CDU zur Mehrheit, was noch beim anschließenden Umtrunk im Biergarten am Rathaus zu teils hitzigen Debatten führte. Ein Ratsmitglied vom Fünfer-Bündnis: »Die AfD wird von der CDU wie Aussätzige behandelt, und zum Dank stimmt man mit der CDU. Das ist – vorsichtig gesagt – unverständlich. Und die Piraten sind nur groß darin, die Klappe aufzureißen, scheitern aber schon auf lokaler Ebene am kleinen Einmaleins politischer Fertigkeiten.“

und

„Wenn es den Piraten an einem nicht mangelt, dann an ihrer fast schon pathologischen Selbstüberschätzung, die sie meinen lässt, man müsse einfach mal alles anders machen, dann werde es schon besser. Gut gemeint ist aber eben oft das Gegenteil von gut. Nachdem sich das Fünfer-Bündnis aus SPD, Grünen, FDP, Zentrum und UWG dafür eingesetzt hatte, den Einzelratsmitgliedern das Dreifache an Ausschuss-Mitgliedschaften einzuräumen, wäre es ein Gebot des politischen Anstands gewesen, dies im Gegenzug zu honorieren. Schließlich waren es die Piraten, die mit bittenden Anträgen um mehr Mitspracherecht geworben haben. Zum Dank bescherten die Piraten dem Fünfer-Bündnis die erste Abstimmungsniederlage – wohl wissend, dass es nur zwei erkrankte SPD-Mandatsträger waren, die diesen, das Wahlergebnis auf den Kopf stellenden, Ausgang ermöglicht haben. Wer natürlich keine Ahnung hat von den Feinheiten des politischen Geschäfts, weil er sich seine Ratspräsenz nicht durch redliche Basisarbeit erkämpft hat, sondern nur von den Ausläufern jener Medienkampagne profitiert, die die Piraten seinerzeit in vier deutsche Landtage gespült hat, kann auch nicht wissen, dass eine Enthaltung mitunter die Höflichkeitsform in der politischen Kommunikation ist.“

Liebe Ratsmitglieder in Kaarst und liebe Politiker weltweit: grundsätzlich machen wir unsere Entscheidungen von Sachargumenten abhängig und wenn die Vertreter der etablierten Parteien dies nicht tun, sondern sich von Parteitaktik und sonstigen Dingen abhängig machen lassen ist uns Piraten das zuwider.

Ich persönlich werde immer – es mag Ausnahmen aufgrund auch mir gegebenen persönlicher Schwäche geben – meine Entscheidungen im Stadtrat von Kaarst davon abhängig machen, wie der Antrag formuliert ist, wie die Meinung der anderer Piraten dazu ist und ob die Interessen der Bürger damit umgesetzt werden. Von nichts anderem. Und setze tatsächlich auf wechselnde Mehrheiten, so wie es die Sprecher des 5er-Bündnisses vorher angekündigt haben.

Markus Wetzler
Ratsmitglied im Kaarster Stadtrat für die Piratenpartei

UPDATE: Die Konverter-Anträge im Wortlaut:

konverterantraegewortlaut