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Die Transparenzrede vom 23.08.2012

Am 23.08.2012 stellten die Kaarster Piraten ihre Transparenzanträge dem Kaarster Stadtrat vor. Die komplette Rede kannst Du hier nachlesen:

“Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Markus Wetzler, Mitglied der Piratenpartei. Zunächst einmal vielen Dank dafür, dass wir unsere Bürgeranträge vorstellen dürfen.

Unsere Anträge stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den qllgemeinen Forderungen nach mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz in der politischen Kultur und hier insbesondere in der Kommunalpolitik.

In diesem Sinne haben wir die Ihnen vorliegenden Bürgeranträge eingereicht.

Die Geschäftsordnung der Stadt Kaarst möge demnach in zwei Punkten geändert werden:

1. Bürger sollen grundsätzlich auch Fragen zu den Tagesordnungspunkten stellen dürfen.

2. Arbeitskreise sollen grundsätzlich öffentlich tagen (ggf. mit einem nicht-öffentlichen Teil)

Grundsätzlich sind die Sitzungen des Stadtrates und seiner Ausschüsse öffentlich. Sitzungsunterlagen werden grundsätzlich vorab im Sitzungsdienst bereitgestellt. Und Bürgeranträge können gestellt werden. Ein gewisses Maß an Transparenz und Bürgerbeteiligung kann dem Rat der Stadt Kaarst also durchaus bestätigt werden. Und das ist auch gut so.

Aber gerade in der Kommunalpolitik geht uns das nicht weit genug.

Gerade, wenn betroffene Bürgerinnen und Bürger zu Tagesordnungspunkten Fragen oder Anregungen haben, welche die Qualität der Diskussion und das letztendliche Ergebnis des Entscheidungsprozesses durchaus positiv beeinflussen können, dürfen Sie sich an der aktuell laufenden Diskussion aufgrund der jetzigen Geschäftsordnung nicht beteiligen.

Die interessierten Bürgerinnen und Bürger können den Meinungsbildungsprozess quasi nur “konsumieren” aber nicht beeinflussen. Das ist wie Fernsehen. Wenn die Talkshow schlecht ist, raufen wir uns die Haare und schalten um oder ab.

Der Stadtrat möge daher beschließen, den letzten Satz aus § 19 Abs 1 der Geschäftsordnung der Stadt Kaarst “Fragen zu Beratungsgegenständen, die auf der Tagesordnung der Ratssitzungen stehen, sind nicht zulässig” zu streichen.

Es gab Befürchtungen aus ihren Reihen, dass Bürgerfragenzu Tagesordnungspunkten die Arbeitsfähigkeit des Rates oder eines Ausschusses beeinträchtigen könnten, weil der zeitlicheRahmen der Sitzungen gesprengt werden könnte.

Ganz bewusst haben wir daher in unserem Antrag offen gelassen, wie und wann Fragen zu Tagesordnungspunkten beantwortet werden sollen. Manche Fragen beantworten sich möglicherweise bereits während der Aussprache des Tagesordnungspunktes, andere Fragen kann die Verwaltung notieren und vor oder nach der Aussprache erläutern.

Unseres Erachtens können Sie auch bei Bedarf die Geschäftsordnung dahingehend anpassen, dass Sie die Redezeit zu einzelnen Wortbeiträgen auf ein vernünftiges Niveau beschränken oder auch, dass die Schließung der Rednerliste beantragt werden kann.

Letztendlicher Auslöser für unseren zweiten Bürgerantrag war die Ratssitzung vom 31.05.2012, als über den Seniorenbeauftragtendiskutiert wurde. Dort gab es Äußerungen aus dem Rat, man könne oder sollte den Arbeitskreis Seniorenpolitik doch öffentlich abhalten.

Aber warum sollte nur der ArbeitskreisSeniorenpolitiköffentlich tagen? Warumnicht auch die anderenArbeitskreise?

Die Arbeitskreise, in denen nicht selten die Weichen für spätere Entscheidungen gestellt werden, sind jedoch alle nicht öffentlich, aber von öffentlichem Interesse.

Um die Privatsphäre und personenbezogene Daten einzelner Mitbürger zu schützen, soll es natürlich auch bei den Arbeitskreisen einen nicht-öffentlichen Teil geben können.

Der Stadtrat möge daher eine Änderung von § 35 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Stadt Kaarst wie folgt beschließen:

„Sitzungen der Arbeitskreise sind öffentlich, können aber nicht-öffentliche Teile gemäß dieser Geschäftsordnung enthalten. “

Wir haben im Vorfeld und durch die Presse das Argument vernommen, dass erst die Nichtöffentlichkeit es ermögliche, Sachthemenabweichend von parteipolitischen Interessen zu erörtern oder im freien Austausch Kompromisse zu finden.

Diese Ansicht von politischer Arbeit können wir nichtnachvollziehen, denn geradesachliche Politik ist es, was die Bürgerinnen und Bürger schätzen.

Wir können keineSchwäche darin entdecken, den Argumenten von Interessenvertretern mit anderemParteibuch aufgeschlossen zu begegnen und gemeinsam eine Lösung zu finden, die gegebenenfalls tragfähiger sein könnte, als es der eigene Vorschlag ist.

Es mag ungewohnt für Sie sein, aber Arbeitskreise öffentlich abzuhalten ist möglich und notwendig, denn man kann auch öffentlich konstruktiv zusammenarbeiten.

Und: In einer Demokratie darf der politische Prozess auch mal schwierig und schmerzhaft sein.

Bei den Piraten sind fast alle Sitzungen auf allen Ebenen, sogar die Vorstandssitzungen öffentlich.

Wenn Sie möchten, können Sie gerne dort zu jeder Zeit reinhören und sich sogar an der Diskussion und am Gestaltungsprozess von politischen Entscheidungen beteiligen, sogar auch ohne Mitgliedschaft bei der Piratenpartei. Auch Doppelmitgliedschaften tolerieren wir.

Viele Politiker fast aller hier vertretenen Parteien, auf bundes-, landes – und kommunaler Ebene haben bereits die Zeichen der Zeiterkannt:

Auch wenn die Anträge in ähnlichem Wort bereits im Jahr 2010 von den Grünen eingereicht und leider abgelehnt wurden, haben sich die Zeitengeändert. Denn Transparenz im politischen Handeln und mehr Bürgerbeteiligung könnten der Politikverdrossenheit entgegen wirken, so

· fragt unsere Kanzlerin die Bürger: Wie wollen wir leben?

· hat die FDP unlängst das Tool New Democracy gestartet

· stellen die Jugendorganisationen vieler Parteien in Neuss mit Unterstützung der Neusser Piraten Anträge, die Ratssitzungen zu streamen, ebenso die Grünen in Kaarst

· fordert die Junge Union ein barrierefreies „Papierloses Büro“

· sind die Fraktionssitzungen der Kaarster Grünen öffentlich

· und in anderen Städten des Rhein-Kreises Neuss sind auch Arbeitskreise bereits öffentlich, warum nicht auch in Kaarst?

Kaarst lobt sich mit seiner Transparenz und Bürgernähe, doch bis dieses Lob tatsächlich gerechtfertigt ist, sollten Anträge zur Transparenz und Bürgerbeteiligung nicht aus parteipolitischen Gründen abgelehnt werden.

Denn die Maxime politischen Handelns sollte nicht das “Geschlossene Auftreten” sein, sondern das Beste für die Zukunft unserer Stadt zu erreichen.

Um auf diesem Weg ein wesentliches Stück voranzukommen, bitten wir Sie, beiden Anträgen zuzustimmen.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.