Kolumne

Kolumne: Über das Grundeinkommen

Ich selbst bin erst seit wenigen Monaten Mitglied in der Piratenpartei und habe auf dem Bundesparteitag in Offenbach für die Einführung eines BGE gestimmt. Ganz nebenbei: das Thema wird weiterhin in der Parteibasis ausgiebig und kontrovers diskutiert.

Im Folgenden habe ich den genauen Antragstext aufgeführt, über welchen auf dem Bundesparteitag diskutiert und mit einer knappen aber dennoch deutlichen 2/3-Mehrheit abgestimmt wurde:

Wir Piraten setzen uns für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein, das die Ziele des “Rechts auf sichere Existenz und gesellschaftlicher Teilhabe” aus unserem Parteiprogramm erfüllt. Es soll:
die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden. Wir wissen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Paradigmen des Sozialstaats wesentlich verändern wird. Statt mit klassischer Parteipolitik muss dessen Einführung daher mit einer breiten Beteiligung der Bürger einhergehen.
Wir nehmen viele engagierte Menschen wahr, die sich seit Jahren in- und außerhalb von Parteien für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Wir wollen dieses Engagement auf die politische Bühne des Bundestages bringen und mit den dortigen Möglichkeiten eine breite und vor allem fundierte Diskussion in der Gesellschaft unterstützen.

Dazu wollen wir eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag gründen, deren Ziel die konkrete Ausarbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Grundeinkommens-Modelle sein soll. Für jedes Konzept sollen die voraussichtlichen Konsequenzen sowie Vor- und Nachteile aufgezeigt und der Öffentlichkeit transparent gemacht werden.

Zeitgleich werden wir uns im Bundestag dafür einsetzen, dass noch vor Ende der Legislaturperiode die gesetzlichen Grundlagen für Volksabstimmungen auf Bundesebene geschaffen werden. Sie sollen den Bürgern ermöglichen, sowohl die in der Enquete-Kommission vorgestellten als auch andere Grundeinkommens-Modelle als Gesetzentwurf direkt zur Abstimmung zu stellen. Um dabei über eine Vielfalt an Konzepten gleichzeitig entscheiden zu können, sollen Volksabstimmungen auch mit Präferenzwahlverfahren durchgeführt werden können.

Bis zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens setzen sich die PIRATEN für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn ein.
Soweit der Antragstext.

Du fragst Dich, wozu auch sozial stärkere dass BGE erhalten sollen? Das ist aus meiner Sicht relativ einfach zu beantworten: wer arbeitet, soll sich mehr Luxusgüter leisten können, als derjenige, der nicht arbeitet. Heutzutage sind aber etwa acht Millionen Menschen trotz Arbeit nicht dazu in der Lage ihre Zukunft zu planen. Das sind u.a. Leiharbeiter, Minijobber und Selbständige sowie Freiberufler. Das BGE wäre dementsprechend eine Versicherung für diejenigen, die plötzlich ihren Jobs verlieren, um nicht ins bodenlose zu fallen. Wer arbeitet verdient mehr, wer nicht arbeitet, egal aus welchem Grund, braucht keine Existenzängste haben und seine sozialen Kontakte aufrechterhalten.

Darüber hinaus sehen manche in einem möglichen BGE-Modell das so, dass vom Arbeitslohn das BGE abgezogen werden soll, d.h.: man erhält zunächst einmal als arbeitender Menschen weiterhin das gleiche Geld: Beispiel heute: Arbeitslohn = 3000 Euro. Mit BGE: BGE 1500 Euro + verminderter Arbeitslohn 1500 Euro = 3000 Euro. Die Unternehmen würden in diesem Modell also zunächst einmal grundsätzlich entlastet.

Du hältst auch aus anderen Gründen die Umsetzung für schwierig? Das hast Du vollkommen Recht. Und weil die Umsetzung eines so komplexen Sachverhaltes so schwierig ist, haben wir im Kern des Antrages zunächst einmal die Gründung einer entsprechenden Kommission geplant, welche sich überhaupt erst einmal mit allen möglichen Grundeinkommens-Modellen beschäftigen soll. Die bis dahin diskutierten Modelle sollen anschließend bewertet und letztendlich soll das – von den Wählerinnen und Wählern präferierte – beste Modell umgesetzt werden.

Die Höhe und die Finanzierung eines BGE stehen also noch keinesfalls fest.

Ob das BGE auch Nachteile mit sich bringen würde? Kann ich natürlich nicht ausschließen, aber ich sehe momentan keine.
Du beschäftigst Dich mit elementaren Fragen, wie z.B. wer arbeitet noch, wenn alle genug Geld haben? Wird noch genug produziert? Gibt es überhaupt noch genug Arbeit? Müssen diejenigen, die arbeiten, noch härter arbeiten?

Für zwischendurch:
Die Piratenpartei ist zunächst einmal keine linksradikale Gruppierung oder kommunistische Vereinigung, sondern versucht – je nach Sachverhalt, für politische Herausforderungen unterschiedlicher Themen vernünftige Lösungen zu erarbeiten, unabhängig von Lobbyinteressen.
Das Thema soziale Gerechtigkeit ist spätestens seit dem Bundesparteitag in Offenbach zu einem Kernthema der Piraten geworden. Die Piraten haben sich z. B. die Frage gestellt, ob nur diejenigen Menschen das Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe haben, die arbeiten gehen?

Die Antwort auf diese Frage ist allerdings sehr komplex. Um die Antwort auf diese Frage geben zu können, müsste man eigentlich noch viele Zwischenfragen stellen:

Gibt es überhaupt genug Arbeit für alle? Müssen denn überhaupt alle Menschen arbeiten und wenn ja, wie viele Stunden pro Tag und welche Arbeiten müssen gemacht werden? Warum wird ehrenamtliche Arbeit nicht genügend anerkannt? Warum arbeiten so viele Menschen in Jobs die sie eigentlich gar nicht ausführen wollen? Warum werden so viele Menschen krank von der Arbeit? Warum kommen viele Menschen auf keinen grünen Zweig, obwohl diese viel arbeiten? Warum werden einige Menschen mit wenig Arbeit reich? Welche Aufgabe würden Menschen übernehmen, wenn sie nicht von einem Arbeitgeber abhängig werden? Warum wird körperlich schwere Arbeit häufig viel schlechter bezahlt als geistige Tätigkeiten? Wenn wir arbeiten: ist es sinnvolle Arbeit? Könnte man die Arbeit durch Maschinen ersetzen? Und so weiter und so fort…

Wenn man alle diese Fragen und noch viele andere mehr für sich beantwortet hat, könnte man im Endeffekt zu dem Resultat kommen: an unserem System stimmt irgendetwas nicht und es ist irgendwie sozial ungerecht. Das soll aber jeder für sich selbst bewerten.
Ich könnte regelrecht ein dickes Buch schreiben…

Es gibt Leute, die behaupten, dass die Menschen bei der Einführung eines BGE weiter arbeiten würden, andere meinen, die Menschen würden sich auf die faule Haut legen. Am besten kann man sich die Frage beantworten, wenn man sich überlegt, was man selbst tun würde, wenn man monatlich so viel Geld zur Verfügung hätte, dass es ausreichen würde für die lebensnotwendigen Dinge (Dach über dem Kopf, Essen, Trinken, Möbel, Kleidung, etc.) sowie für Freizeitaktivitäten und anderen Dingen (gesellschaftliche Teilhabe) aber nicht für Luxusartikel.

Ich persönlich würde nach ein paar Wochen genug haben vom Faulenzen und wieder arbeiten gehen. Wahrscheinlich würde ich aber etwas anderes machen, als bisher. Soviel zur Arbeitsmoral der Menschen. Ich würde zu meinem Grundeinkommen also etwas dazuverdienen wollen, die Arbeit würde mir Spaß machen müssen, ich hätte keinen Leistungsdruck mehr, wäre letztendlich produktiver, wäre gesünder und würde sinnvollere Dinge tun.

Die bisher unattraktiven Stellen würden besser bezahlt werden, weil die Arbeitgeber ja ihre Firmen weiterhin betreiben wollen, unsinnige Arbeit (diverse Verwaltungstätigkeiten) würde wegfallen. Die große Frage ist: wird genügend produziert? Antwort: Die Nachfrage nach Produktionsgütern regelt das Angebot, der Preis für Arbeitskraft wird ebenso durch das Angebot an Arbeitskräften geregelt. Für Luxusgüter reicht ein BGE nicht aus. Wir brauchen uns also meines Erachtens keine Sorgen darüber zu machen, ob weiterhin genügend Menschen arbeiten und ob es genügend Arbeit geben wird. Es wird auch weiterhin genug produziert.

Der große Unterschied: Die Menschen suchen sich ihre Arbeit selbst aus, haben mehr Spaß an der Arbeit, arbeiten unter besseren Arbeitsbedingungen und werden für ihre Arbeit besser bezahlt.

Finanzierung/Verteilung:
Die von Dir angesprochene Finanzierung und Verteilung eines BGE über Steuern ist nur ein mögliches Finanzierungsmodell. Wie die Finanzierung letztendlich aussieht, wird sich erst aus der oben genannten Kommissionsarbeit ergeben. Das Ziel ist und bleibt die soziale Gerechtigkeit, mit der Einführung eines BGE sollte es keine armen Menschen mehr geben. Vielleicht mehr Reiche, aber keine Armen mehr.

Wenn das BGE z. B. über Steuern finanziert werden würde und anschließend Steuern zur Finanzierung des BGE erhöht werden müssten, würde das unter Umständen gar nicht diejenigen treffen, welche ausschließlich vom BGE leben (die gibt es m. E. aber gar nicht so häufig, weil auch heutige ehrenamtliche Arbeit bezahlt werden müsste und jeder irgendetwas nützliches tun würde was ihm Spaß macht), weil diese keine Steuern zahlen müssten (Mindeststeuersatz müsste über dem BGE liegen).

Zum Thema Krankenversicherung, Pflegeversicherung: In meinem Modell eines Sozialstaates mit BGE würden diese Leistungen natürlich nicht wegfallen, sondern jeder Mensch hätte das Recht auf medizinische Versorgung und Pflege im Alter von Geburt an. Auch hier würde sich für die Finanzierung eine Lösung finden. Siehe hierzu meinen Blog „Herausforderungen im Gesundheitswesen“ unter http://markusvonkrella.wordpress.com/2011/12/16/herausforderungen-im-gesundheitswesen/.

Du schlägst vor, die Hartz IV – Sätze zu erhöhen? Aus meiner Sicht wäre das nichts anderes als die Einführung eines BGE. Die Frage ist halt nur, für wie viel Lebensqualität die Grundsicherung ausreichen soll. Da scheiden sich momentan die Geister.

Ich hoffe, ich konnte Dir das BGE aus meiner Sicht etwas näher bringen.

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